Krise in Fernost? Chinas Territorialdispute in Ostasien

Eskalationspotential mit unabsehbaren Folgen

Neue Wege möchte in Zukunft der „Münchner Arbeitskreis Reserveoffiziere (MAKRO)“ gehen. Dabei will er in der sicherheitspolitischen Arbeit vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen. Die „Premiere“ scheint geglückt: die erste Veranstaltung mit dem Thema „Krise in Fernost? Chinas Territorialdispute in Ostasien“ mit Professor Dr. Sven Bernhard Gareis vom Marshall Center war ein voller Erfolg.

Von Julian Bachmann

Hier finden Sie den Veranstaltungsflyer.

Neu war bei MAKRO die innovative Eventlocation, die sogenannte „Münchner Säulenhalle“. Das 1924 fertiggestellte Bauwerk der Post, bietet einzigartige Räumlichkeiten für Vorträge und Diskussionen und vermittelte zugleich einen modernen Charme, der der Veranstaltung zu Gute kam. Auf den Punkt brachte es der Vorsitzende des MAKRO, Oberstleutnant der Reserve Christian Eberle: „Ein interessantes und kreatives Event mit einer bunten Mischung an Leuten, so würde ich den Abend beschreiben“. Und: die 100 Zuhörer fühlten sich sichtbar wohl.

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Begeisterte das Publikum mit seinem Vortrag: Professor Gareis vom Marshall Center.

Andere Zielgruppen

Das Publikum reichte von jung bis alt, und es bestand aus Akademikern der Bundeswehr-Universität München sowie der Ludwig Maximilians Universität, Professoren und Offizieren sowie weiteren interessierten Gästen. Bemerkenswert war, dass auch viel weibliches Publikum den Weg in die Säulenhalle gefunden hatte. Die Veranstaltung brachte zudem Menschen zusammen, die selbst einen Standpunkt haben und dabei neugierig auf die Standpunkte Anderer sind. Im Fokus stand dabei vor allem die Idee, nach dem Vortrag miteinander ins Gespräch zu kommen. Nur so wird es der Bundeswehr gelingen, neue Zielgruppen zu erschließen. Dass Außenpolitik, zu der auch die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gehören, durchaus interessant sein kann, betonte Oberstleutnant der Reserve Professor Dr. Eberhard Grein, Leiter des „DialogForum Sicherheitspolitik“ und zugleich Unterstützer der Veranstaltung. Er nahm Bezug auf eine Äußerung von Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Äußeren, der erst vor Kurzem gesagt habe, dass Außenpolitik mit den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland gesellschaftlich breiter und offener sowie transparenter diskutiert werden müsse.

Territoriale Konflikte Ostasiens

Professor Dr. Sven Gareis, Deutscher Stellvertretender Dekan am George C. Marshall Europäischen Institut für Sicherheitspolitische Studien, zeigte in seinem Vortrag die enge politische und wirtschaftliche Verflechtung der Region auf. Ferner betrachtete er das sicherheitspolitische Gleichgewicht im südostasiatischen Raum und wie dieses einzuschätzen sei. Auch hielt er zwei wesentliche Spannungsfelder bei den territorialen Konflikten Ostasiens fest: Einerseits schilderte er China als aufstrebende Wirtschaftsmacht, die nach dem Aufstieg von der Agrarmacht unter Mao tse-tung zu einer Industriemacht avancierte und sich nun seit Deng Xiaoping die Parole „Produktion, statt Revolution“ auf die Fahnen geschrieben habe. Auch nehme China in der ostasiatischen Region die Rolle einer Regionalmacht ohne wirkliche Verbündete ein, so Gareis weiter. Zudem habe China noch historisch bedingte Ressentiments gegenüber Japan, das sich für seine Gräueltaten gegenüber der chinesischen Bevölkerung, wie im Massaker von Nanking 1937, nie offiziell entschuldigt hat. Dagegen stünden auf der anderen Seite Japan mit seinem Verbündeten USA und die Anrainerstaaten Chinas im Pazifik, Vietnam, die Philippinen und Malaysia. Diese wiederum würden das Machtzentrum China anerkennen, da sie am Wirtschaftsboom teilhaben. Genauso aber fände sich bei ihnen die Angst um die eigenen Interessen und ihre Souveränität wieder, die bewirke, dass sich ein starkes Nationalbewusstsein in den entsprechenden Völkern ausprägt.

DialogForum sicherheitspolitik - Gruppenfoto

Stellten sich nach dem Vortrag den Fotografen (v.l.): Professor Dr. Eberhard Grein, Leiter des DialogForum Sicherheitspolitik und Unterstützer der Veranstaltung, Christian Eberle, Vorsitzender des Münchner Arbeitskreis Reserveoffiziere (MAKRO), Professor Dr. Sven Gareis, Marshall Center, und Werner Ruf, Kreisvorsitzender München Stadt des Reservistenverbandes (VdRBw).

Rohstoffe im Fokus

Die Staaten rund um China halten allerdings einen wichtigen Trumpf in der Hand: ihre Seewege und die territorialen Ansprüche darauf. So schwelt der Konflikt Chinas mit Japan nicht um ein paar Inseln im Ostchinesischen Meer, die Senkaku-Inseln, sondern um Ölvorkommen, Fischfang und schließlich die Logistik der Seewege für die Handelsflotten. Das Südchinesische Meer ist so eine der wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt. Über sie fährt mehr als die Hälfte der globalen Handelsflotten, und dort wird die halbe Energieversorgung Nordostasiens und 80 Prozent seines Öls transportiert. Wer die Inseln im Südchinesischen Meer besitzt, könne direkt oder indirekt Kontrolle über die meisten Seewege der Welt ausüben, die aus Westeuropa nach Ostasien führen, so Gareis weiter. Es existierten zahlreiche Konflikte zwischen China und Vietnam (Spratly-Paracel-Inseln) aber auch solche mit den Philippinen (Scarborough-Riff).

China sei mittlerweile extrem abhängig von der stetigen Anlieferung von Rohstoffen. Dies spiele Japan und den übrigen asiatischen Inselstaaten in die Hände, wie Gareis weiter betonte. Die USA seien de facto Japans Schutzmacht, und nahezu 50 000 US-Soldaten wären heute auf dem Territorium des einstigen Feindes aus dem Zweiten Weltkrieg stationiert. In den sechziger Jahren schlossen Japan und Amerika ein bis heute geltendes Sicherheitsabkommen. China auf der anderen Seite fühle sich trotz seines Machtzuwachses umzingelt von Gegnern und flüchte sich ebenfalls inwachsenden Nationalismus.

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Im Dialog: Bei Getränken und einem Imbiss kamen die Gäste nach dem Vortrag ins Gespräch.

Eskalationspotential mit unabsehbaren Folgen

Das alles berge ein Eskalationspotential mit unabsehbaren Folgen, so Gareis. China müsse aufpassen, dass es mit dem Aufbau einer Seeflotte und der eingerichteten Luftverteidigungszone nicht zu weit gehe und sicherheitspolitische Reaktionen auslöse. So erklärte Obamas Sprecher Josh Earnest, die von China eingerichtete Luftverteidigungszone sei „aufrührerische Politik, Konflikte wie diese sollten besser durch Diplomatie gelöst werden.“ Dennoch werde die Stabilität in der Region gehalten von wirtschaftlichen Zusammenkünften wie dem ASEAN-China-Freihandelsabkommen, wie Gareis weiter betonte.

Zu bedenken sei jedoch, dass keine multilateralen Institutionen vorhanden seien, kein gemeinsames starkes Bündnis wie OSZE oder Nato, die im Streitfall immer wieder beschwichtigend eingreifen könnten. Bis jetzt sei es aber, so Gareis, eher positiv zu sehen, wie stabil die Verbindung zwischen den Staaten ist. Es gebe bereits einen Konsens der Akzeptanz über Flugverbindungen, die Anerkennung von Bildungsabschlüssen und eben das Freihandelsabkommen. Zu hoffen, so der Referent abschließend, sei nun auf eine rationale und wohlüberlegte Politik aller Akteure und deren Repräsentanten, so dass der wachsende Nationalismus der Beteiligten nicht die Massen in unkontrollierbare Bewegungen bringe.

(eg)